Rasiermesser - Aufbau, Begriffe und Erläuterungen

Rasiermesser - Aufbau, Begriffe und Erläuterungen

Aufbau und Bezeichnung der wichtigsten Teile eines Rasiermessers

Ein typisches Rasiermesser besteht aus zwei beweglich miteinander verbundenen Teilen: dem Griff und der Klinge. Der Griff wird aus zwei sog. Griffschalen gebildet, die an einem Ende mit einem dazwischenliegenden Keil fest vernietet sind. Am anderen Griffende ist ebenfalls mit einer Niete die Klinge des Messers beweglich befestigt. Die Klinge besteht aus dem länglichen Klingenblatt mit der Schneide genannten scharfen Kante und der gegenüberliegenden stumpfen Kante, dem sog. Rücken. Die zumeist halbrund oder einfach gerade geformte Klingenspitze nennt man Kopf. Der flache, schmale Metallteil, der durch die Niete mit dem Griff verbunden ist und in den oft Hersteller- und Modellinfos eingeschlagen sind, heißt Erl. Das noch dünnere, normalerweise leicht geschwungene "Schwänzchen", in das der Erl ausläuft, heißt Angel.

 

Messerarten und Auswahl

Trotz der auf den ersten Blick undurchschaubaren Vielfalt der Angebote ist kein Messer der wenigen namhaften Hersteller ungeeignet, man kann also nicht wirklich etwas falsch machen, wenn man sich auf Markenmesser beschränkt. Leider gibt es auf einigen Internetplattformen immer wieder (oft spottbillige) Angebote unsachgemäß hergestellter Rasiermesser, hier ist dann Enttäuschung vorprogrammiert, wenn Klingen beispielsweise aus schlechtem Stahl hergestellt oder nicht korrekt gehärtet wurden und daher einfach nicht scharf bleiben.

Rasiermesser unterscheiden sich im Wesentlichen durch Materialien von Griff und Klinge, die Kopf- und Schliffform der Klinge und die Größe des Messers. Die Bedeutung dieser Faktoren wird im Nachfolgenden näher erläutert.

 

Material, Schliff und Kopfform der Klinge

Von Spezialanfertigungen wie z.B. Damast abgesehen, gibt es bei handelsüblichen Rasiermessern Klingen aus zwei verschiedenen Stahlklassen: Normalstahl (nicht rostfreier Kohlenstoffstahl) und hochlegierter, rostträger Edelstahl. Normalstahl hat zwar das feinere Gefüge als hochlegierter Stahl und damit eine höhere theoretisch erreichbare Schärfe, ist aber auch anspruchsvoller in der Pflege. Um Wasserflecken oder gar Rost zu vermeiden, muss die Klinge nach Gebrauch immer gründlich getrocknet und das Messer luftig (nicht im feuchten Bad) gelagert werden, bei längerer Nichtbenutzung unbedingt mit säurefreiem Spezialöl behandeln. Klingen aus rostträgem Edelstahl sind pflegeleicht und unproblematisch, auch wenn Profis auf das grobere Gefüge hinweisen. Moderne Hochleistungs-Legierungen weisen sehr feine Kristallstrukturen auf, so dass der Unterschied in der erreichbaren Schärfe für die Praxis moderner Rasiermesser zunehmend vernachlässigbar geworden ist.

Beim Schliff der Klinge (gemeint ist die Formgebung im Klingenquerschnitt, nicht das Schärfen der Schneide) gibt es zwei Hauptvertreter: beim ganzhohl oder vollhohl genannten Schliff wird die Klinge so geschliffen, dass sie unterhalb des Rückens sehr schnell dünner wird daher fast über die gesamte Klingenhöhe sehr fein und flexibel ist. Diese Flexibilität ist für manche Einsteiger (besonders bei nachlassender Messerschärfe) zunächst ungewohnt, ganzhohle Messer gelten aber auch als gründlicher bei der Rasur (vielleicht nur Legende?). Ein halbhohler Schliff, bei dem sich die Klinge auf dem Weg vom Rücken zur Schneide langsamer verjüngt, ist weit starrer. Dieser Schliff ist in der Messerherstellung weniger aufwändig und bedarf weniger Können und Erfahrung, was sich auf den Preis auswirkt. Nach kurzer Zeit will der erfahrene Anwender aber ein vollhohles Messer verwenden, daher steigen viele auch direkt damit ein -- auch weil das Angebot halbhohler Messer inzwischen sehr klein geworden ist. Diese Messer und auch noch massivere Vertreter über viertelhohl bis hin zum komplett ungehohlten "Wedge" (auch "derbes" Messer genannt) haben aber auch ihre Fangemeinde, besonders bei extrem drahtigen Bärten sind sie praktischer als ein dünn ausgeschliffenes Messer. Ein gänzlich ungehohltes Messer ist allerdings eine ganz außerordentliche Herausforderung beim Schärfen, nur etwas für Könner.

Bei der Kopfform (also der Form der "Messerspitze") unterscheidet man grob zwei Gruppen. Messer, bei denen die Schneide in eine scharfe, rechtwinklige Ecke auslaufen, erlauben exakte Konturenrasur, bergen mit dieser scharfen Spitze eine stete Verletzungsgefahr. Barbiere haben daher bei einem solchen Kopf zuerst diese Spitze über die Seite Ihres Steines gezogen und die vordersten 1-2mm zu einerm kleinen Rund geformt, um die Messer ein wenig sicherer zu machen. Beim sehr verbreiteten Rundkopf und ähnlichen Formen, bei denen der Kopf vor dem Ende der Schneide in eine deutlich ausgeprägte, stumpfe Rundung übergeht, besteht erheblich weniger Gefahr, sich mit dem Messerende versehentlich zu ritzen, dafür ist der Übergang der scharfen Schneide schwerer auszumachen und man kann nicht sich exakt mit der Messerspitze feinste Kanten bearbeiten.

 

Die Breite von Rasiermesserklingen (Angaben wie 5/8" etc.)

Die Breite einer Messerklinge bezeichnet nicht den Abstand von der Messerspitze bis zum Erlansatz (das ist die Länge, die bei allen typischen Messern vergleichbar und relativ unbedeutend ist), sondern den Abstand vom Messerrücken bis zur Schneide. Dieses wichtige Maß eines Rasiermessers wird in Form eines Bruchs mit angehängtem doppeltem Anführungszeichen angegeben und bezeichnet einen Teil (fast immer Achtel, seltener Sechzehntel) eines Zolls (ein Zoll sind 25,4mm). Die Angabe 5/8" bedeutet also, dass das Messer  5/8 x 25,4mm, also ungefähr 16mm breit ist.

Messer der Breite 3/8" und 4/8" sind sehr wendig und gut zu führen und wurden früher beim Barbier für das Ausrasieren von Konturen (Augenbrauen, Bartränder, Koteletten etc.) verwendet. Wer ein Messer zum Formen eines modischen Konturenbartes sucht, sollte eine dieser Größen wählen. Klingen der Breite 5/8" und 6/8" sind gängigste Standardgrößen für die Bartrasur und auch für Anfänger perfekt geeignet. Größere Messer (7/8" oder gar 8/8", insbesondere in der nicht ganzhohlen Ausführung, siehe weiter oben) haben bei starken Bärten Vorteile, liegen aber schwerer in der Hand und sind wegen der Größe etwas unhandlicher zu "navigieren", daher wird hier meist "für Könner" angegeben. Naturgemäß ist die Auswahl verschiedener Messermodelle bei den Standardgrößen am vielfältigsten -- besonders schmale oder extra breite Messer sind seltener und in weniger Modellen verfügbar und manchmal auch nur bei historischen Messern oder Einzelanfertigungen zu finden.

 

Griffmaterial und Verzierungen

Beim Material des Griffes geht es neben der Optik auch um die Empfindlichkeit bei Gebrauch und Lagerung. Robust und wasserunempfindlich sind Griffe aus Edelstahl, aus harten und ölhaltigen (und damit feuchtigkeitsbeständigen) Hölzern, sowie aus Knochen oder natürlich Kunststoff, etwas mehr Vorsicht benötigen Griffe aus Horn oder empfindlicheren Holzsorten.

Auch spielt das Gewicht eine Rolle, Kunststoffgriffe bieten einen preiswerten Einstieg, haben aber kein ideales Gegengewicht zur Klinge (man spricht auch von Balance) und sind daher nicht so angenehm zu führen wie ein gut ausbalanciertes Messer. Man stelle sich den Einfluss ähnlich wie bei einem Sportgerät (Schläger, Billardqueue etc.) vor. Mit der Erfahrung steigen die Ansprüche.

Und schließlich bestimmt die Materialauswahl auch maßgeblich den Kaufpreis oder Wert eines Messers, das gilt analog auch für Ausschmückungen. Verzierte Rücken, Vergoldungen, aufwändige Klingenätzungen und seltene Hölzer oder andere wertvolle Materialien machen ein Messer nicht zu einem besseren Rasierer, sehen aber toll aus (und kosten auch mehr). Gleichzeitig steigern sie aber auch den Wiederverkaufswert eines Messers, so kann man hochwertige Sammlermesser sogar wertstabil nutzen und später wieder mit wenig oder keinem Verlust verkaufen oder tauschen, wenn man Glück hat.

Kunststoff ist leicht, wasserunempfindlich und stellt den unteren Wertbereich dar. Holz ist (bei geeigneten Sorten) nur geringfügig empfindlicher, üblicherweise etwas schwerer (bessere Balance) und ebenfalls (zumindest bei Sammlern) ein "geringerwertiges" Material. Eine Ausnahme sind seltene und wertvolle Edelhölzer, die vermehrt bei hochwertigen Messern verwendet werden. Diese sind naturgemäß sehr schön, wertbeständig und i.A. auch sehr haltbar. Horn ist etwas wasserempfindlich (nicht feucht lagern, kann sich verziehen), recht schwer und sowohl teuer als auch wertvoll. Dies sind oft auch Sammlermesser. Knochen ist sehr wasserunempfindlich, gut ausgewogen und ist relativ preiswert, hat aber auch einen guten Nutz- und Materialwert.

Ein "typisches" Anfängermesser für den kleinen Geldbeutel ist ein 5/8"-Messer mit Kunststoff- oder Holzgriff, oft auch in der Einstiegsklasse schon ganzhohl. Später (oder für den anspruchsvollen Einsteiger) kommen Edelholz oder Knochen und nur ein ganzhohles Messer in Frage. Die Entscheidung für ein rostträges Modell oder ein Normalstahl-Messer ist zum einen eine Frage der Pflegedisziplin (ehrliche Selbsteinschätzung) und zum anderen auch eine Glaubensfrage, für den Preis spielt es weniger eine Rolle.